Junkfluencer: So ködern McDonald's, Coca-Cola & Co. Kinder in sozialen Medien
Ein foodwatch-Report deckt auf, wie die Lebensmittelindustrie über bekannte Social-Media-Stars Zuckerbomben und fettige Snacks gezielt an Kinder vermarktet.
Sie haben Millionen Fans und genießen bei Kindern und Jugendlichen hohes Vertrauen: Social-Media-Influencer*innen. Lebensmittelkonzerne wie McDonald's und Coca-Cola, aber auch deutsche Familienunternehmen wie Coppenrath & Wiese und Haribo haben das Potenzial erkannt: Sie beauftragen die Internet-Stars, auf Youtube, Instagram und Tiktok für zuckrige Getränke, fettige Snacks und Süßwaren Werbung zu machen. Die Werbung landet an der elterlichen Kontrolle vorbei direkt auf den Handys der Kinder.
Wir verraten die perfiden Marketingtricks der Junkfood-Konzerne.
Jeder fünfte Todesfall wegen ungesunder Ernährung
Die Industrie fördert mit dieser perfiden Marketingstrategie Fehlernährung und Fettleibigkeit bei Kindern und Jugendlichen. Diese essen im Schnitt nicht einmal halb so viel Obst und Gemüse, aber mehr als doppelt so viele Süßwaren oder Snacks wie empfohlen. Aktuell gelten etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen als übergewichtig und sechs Prozent sogar als fettleibig – ihnen drohen im späteren Lebensverlauf Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. Mittlerweile geht jeder fünfte Todesfall in Deutschland auf ungesunde Ernährung zurück.
Mit Hilfe von Influencern sendet die Lebensmittelindustrie ihre Werbebotschaften an den Eltern vorbei direkt ins Kinderzimmer und auf die Handys junger Menschen.Recherche und Kampagnen
Für den Report „Junkfluencer - Wie McDonald`s, Coca-Cola & Co. in sozialen Medien Kinder mit Junkfood ködern“ hat foodwatch im Jahr 2020 über einen Zeitraum von mehreren Wochen tausende Posts, Stories und Videos bekannter Social-Media-Stars untersucht und zahlreiche Belege für Produkt-Werbung dokumentiert.
Influencer sind für Kinder und Jugendliche heutzutage die größten Idole und zugleich die besten Freunde, genießen hohe Glaubwürdigkeit und haben einen großen Einfluss auf deren Kaufentscheidungen. Eine Studie der Marktforschungsagentur M-Science kommt etwa zu dem Ergebnis, dass sich 11- bis 15-Jährige ihren Online-Stars „bedingungslos hingeben“ und deren Aussagen „vollstes Vertrauen“ entgegenbringen. Lebensmittelunternehmen machen sich diesen Einfluss zunutze und beauftragen die Social-Media-Stars, Werbung für ihre ungesunden Lebensmittel zu machen. Drei Beispiele aus dem foodwatch-Report:
Viktoria und Sarina: Die Pferdemädchen
Das insbesondere bei jungen Mädchen beliebte Duo Viktoria und Sarina hat bei Instagram, Tiktok und Youtube jeweils weit über eine Million Fans und präsentiert sich in einer rosa Glitzerwelt mit Hunden und Pferden. Die beiden Social-Media-Stars werben auf ihren Kanälen unter anderem für Coca-Cola und McDonald‘s. In Kooperation mit Coppenrath & Wiese bewerben sie eine eigene Torte. Das Video mit ihrem Keksteig zum Löffeln wurde auf Youtube mehr als 800.000 aufgrufen.
Simon Desue: Der Poser
Der 29-Jährige Simon Desue gehört mit 4,3 Millionen Abonnentinnen und Abonnenten zu den reichweitenstärksten Youtubern Deutschlands und protzt in seinen Videos mit Villen und Luxusautos. Werbung macht er unter anderem für McDonald's und Haribo. Ein Werbevideo für McDonald's unter der Überschrift #IssmirWurstChallenge wurde auf Tiktok mehr als eine halbe Million Mal angeschaut und zählt 80.000 Likes.
Julia Beautx: Die große Schwester
Die 21-jährige Julia Beautx ist vor allem für Lifestyle- und Beautyvideos bekannt und gehört mit 2,2 Millionen Abonnentinnen und Abonnenten auf Youtube und 3,3 Millionen Followern auf Tiktok zu den reichweitenstärksten Influencerinnen. Sie warb bereits für Coca-Cola oder auch für Ivy Bears-Gummibärchen. Ihre deutlich jüngere Schwester Jana war in ihren Videos schon häufiger verpixelt in Erscheinung getreten, seit Juli 2018 tritt die damals offenbar erst 11-Jährige auch unverpixelt regelmäßig in ihren Fotos und Videos auf. Inzwischen hat Jana auch einen eigenen (derzeit deaktivierten) Tiktok-Kanal mit fast einer halben Million Follower*innen und einen Instagram-Account mit knapp 300.000 Abonnent*innen.
Zusammen mit dem Youtuber Jonas Ems war Julia Beautx das Gesicht der Mondelez-Schokoladenmarke Milka: Ihre gemeinsamen Instagram-Posts bekamen hunderttausende Likes, ihr Youtube-Werbevideo wurde mehr als 200.000 Mal angesehen.
Kinderärzte warnen – und fordern Werbeverbot
Prof. Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit an der Kinderklinik der Universität München, warnt davor, dass Kinder und Jugendliche schon früh Ernährungsgewohnheiten entwickeln, die ihre Gesundheit lebenslang beeinflussen. Zusammen mit Kinder- und Jugendärzten setzt er sich seit langem dafür ein, die an Kinder und Jugendliche gerichtete Werbung zu beschränken. Auch der Wissenschaftliche Beirat des Bundesernährungsministeriums empfiehlt in seinem Gutachten vom Juni 2020 ein „Verbot von an Kinder gerichtete Werbung für Produkte mit hohem Zuckeranteil“. Selbstverpflichtungen seien nicht geeignet, um den Verzehr von Junkfood zu verringern.
Ernährungsministerin Klöckner muss endlich handeln!
Bundesernährungsministerin Julia Klöckner setzt bislang darauf, dass sich die Industrie freiwillig beschränkt. Zuletzt hat die CDU-Politikerin die Werbewirtschaft um eine Verschärfung der freiwilligen Verhaltensregeln für Kinderwerbung gebeten. Bereits seit 2007 gibt es eine freiwillige Selbstverpflichtung der weltgrößten Lebensmittelunternehmen – den „EU Pledge“. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass diese Vereinbarung nicht geeignet ist, um an Kinder gerichtete Werbung für unausgewogene Lebensmittel zu verhindern. foodwatch fordert: Julia Klöckner muss dem Kindermarketing für ungesunde Produkte – sei es in sozialen Medien, im Fernsehen oder im Supermarkt – endlich einen Riegel vorschieben!